Ich wurde geblitzt. Ja, ich war zu schnell und ja, natürlich ärgert man sich und sucht die Schuld bei anderen (im meinem Fall teilweise sogar wirklich zu Recht, aber das sagen sicher alle). Doch unabhängig davon sollte man sich mal einen kurzen Moment Zeit nehmen, über Verkehrsüberwachung und Verkehrskontrolle in diesem Land nachzudenken.
Vom Grundsatz her soll sie dazu dienen, den Verkehr zu regeln und damit flüssig und sicher zu gestalten. Doch grade hier muss man sich regelmäßig fragen, wer der größere Verkehrssünder ist, der einfache Bürger oder zum Beispiel diejenigen, die zum Teil vollkommen verkorkste Ampelschaltungen zu verantworten haben. Warum wird meistens nur zu schnell fahren geahndet, deutlich unter Tempolimit fahren, unmerklich beschleunigen oder das „Schlafen“ an Ampeln jedoch nicht. Alles Dinge, die Stress bei anderen Fahrern erhöhen und je nach Zeitdruck sogar späteres zu schnell fahren als Konsequenz mit sich bringen.
Wenn es darum geht, zu schnell fahren zu verhindern, warum blitzt man dann häufig nicht an Gefahrenzonen wie Schulen, sondern an vermeintlich harmlosen Stellen, schön versteckt? Wer denkt da nicht gelegentlich, dass es vielleicht weniger um die „Verkehrserziehung“ geht, als um das damit verbundene Geld, dass der Staat bekommt.
Zu schnell fahren für die Hypo Real Estate also? Nicht ganz, denn genau genommen geht das Geld in erster Linie an die Kommunen. Aber die sind bekanntlich häufig knapp bei Kasse und werden das, sollten die schwarz-gelben Steuerpläne umgesetzt werden, noch stärker sein. Im Bezug auf das gefühlte „Abzocken“ ist dieser Text sehr interessant, auch wenn er schon etwas älter ist.
Ein interessantes Zitat daraus: „Vermeiden lässt sich das [geblitzt werden, d. Blogger] nur, wenn man sehr oft auf den Tacho schaut – aber gerade das kann verdammt gefährlich sein.“ Eine ähnliche Situation kenne ich aus Darmstadt: An einer Stelle steht dort ein fester Blitzer kurz vor einer Fußgänger-Ampel. Nicht wenige Autofahrer beachten diese vor lauter ängstlichem zum Blitzer schauen nur spät, oder gar zu spät.
Es gibt Verkehrsüberregulierung. Ein Beispiel: Bei Darmstadt gibt es an einer Stelle sieben(!) Ampeln innerhalb von etwa zwei Kilometern- wohlbemerkt größtenteils Außerorts. Dadurch entsteht zu Berufsverkehrszeiten regelmäßig Rückstau über jede Ampel hinweg. Die meisten sind sogar nachts an. Dann steht man häufig mehrere Sekunden vor einer roten Ampel, obwohl im weiten Umkreis niemand ist. Aber macht ja nichts, wir haben Zeit und Schadstoffausstoß interessiert auch keinen…
Die ganzen Überregulierungen, zusammen mit der Überwachung durch Polizei und Co. haben jedoch noch einen anderen Effekt: Sie halten, bewusst oder unbewusst, den Bürger obrigkeitstreu und unmündig, indem sie eine durch regulierte (Verkehrs)Welt, mit wenig freiem Denken schaffen. Und der typische Deutsche ist mittlerweile schon vollkommen überfordert, wenn an einer Straßenmündung ohne Vorfahrtsregelung drei Autos gleichzeitig kommen. „Warum fällt keine Autorität vom Himmel, die uns sagt was zu tun ist?“ In anderen Ländern sind Verkehrsteilnehmer kommunikativer, relaxter und flexibler.
Das mag überzogen sein, vielleicht aber auch nicht. Eine Geschichte lässt auf jeden Fall nachdenklich werden: Der Ort Bohmte in Niedersachen verzichtete nämlich in einem Modelversuch im Rahmen der Initiative „Shared Space“ an einer Straße vollkommen auf Verkehrsregulierung. Das Ergebnis: Nun gibt es dort deutlich weniger Unfälle und Stress. Besonders bemerkenswert ist, was der ortsansässige Pastor laut Focus sagt: „Shared Space ist ja nicht nur ein Verkehrskonzept, sondern es hat etwas mit Leben, Begegnung und Kommunikation zu tun.“ Mit Kommunikation und Leben also. Na schau an…
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